Modern Dance Reviews
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Diquis Tiquis: Paredes de brillo tímido

Alejandro Tossatti & Sandra Trejos (Costa Rica), Mai 2005 in Praha

Duquis Tiquis Bei den Potsdamer Tanztagen habe ich Alejandro Tossatti getroffen, wohlbemerkt im Publikum und nicht auf der Bühne. Ich kannte ihn seit 1998, als er mit seiner Partnerin Stuttgart besuchte. Wir haben uns sofort erkannt. Das fand ich merkwürdig - nicht so sehr dass ich ihn erkannte, das war bei seinem markanten Gesicht keine Kunst, sondern dass er mich sofort erkannte. Er sagte mir, sie würden in Potsdam diesmal nicht auftreten, jedoch eine Woche später in Praha beim Festival "4 + 4 DAYS MOVEMENT". Er meinte, dass es sich für mich nicht lohnen würde, weil sie das gleiche Stück spielen würden wie im Jahr 1998 in Stuttgart. Dieses Stück hat sich jedoch in mein Gedächtnis fest eingeprägt und ich wollte unbedingt wissen, wie es sich in den 7 Jahren entwickelte. Die Vorstellung war Teil eines leteinamerikanischen Kulturfestes, das im umgebauten Eishockey-Stadion stattfand (seie Foto ganz unten). Sowohl das Stück von Diquis Tiquis als auch die übrigen kulturellen und kulinarischen Leckereien haben die zweistündige Zugreise von Dresden mehrfach belohnt.

Duquis Tiquis Duquis Tiquis

Duquis Tiquis Duquis Tiquis Diquis Tiquis kombinieren Tanztheater, Pantomime und Schauspielerei zu einer künstlerischen Untersuchung von starken Emotionen, insbesondere - aber nicht nur - in der Beziehung zwischen Mann und Frau. Sie suchen sich die Extreme aus und lassen ihre Protagonisten an anscheinend unüberwindbaren Missverständnissen scheitern, deren Folgen immer fatal sind. Auch die Szenen mit positivem Ausgang hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck: Die Wahrnehmung des Glücks ist zu intensiv, um irgeneiner Realität entsprechen zu können; vielmehr handelt es sich um eine Illusion, deren Beschränkung auch die sich gerade im Glück auflösenden Helden nicht verdrängen können. Der emotionalen Wirkung kommt eine zentrale Aufgabe zu, auch die kontrastierende Beleuchtung und die Musikauswahl (u.a. Arvo Pärt) werden der Betonung der Gefühlsebene unterordnet. Die Mimik und Bewegung sind bis zum letzten Detail perfektioniert. Ein Beispiel liefern die Hände der getöten Opfer im Foto ganz oben - jede auf eine andere Art, jedoch unmissverständlich den Todeskrampf bezeugend. Die angestrebte Wirkung haben die Autoren erreicht: Die Zuschauer bleiben nach dem Abschluss des 60-minütigen Stücks eine lange Weile klang- und regungslos sitzen, bevor die Ersten ihre Hände zum Applaus heben, der erst allmählich zur anhaltenden Ovation wird.

Duquis TiquisWas hat sich in den sieben Jahren geändert? Die meisten Szenen - so weit ich mich auf mein Gedächtnis verlassen kann - haben die Zeit unverändert überstanden. Der Ton bei Ablehnenung/Abstoßung kam mir barscher und die Niederlagen bitterer vor, wenn die Frau in einer Anziehung/Abstoßung-Serie ihren Verehrer immer härter zum Boden wirft. Ein bemerkenswerter Trick fehlte, vermutlich weil er technisch zu anspruchsvoll war: Alejandro bindet seinen Körper in der Teile mit einem Gürtel an die Rücklehne eines Stuhls, so dass er quasi in der Luft schwebt, und streckt seine Arme nach Sandra, wie ein Greifvögel einem Ängel folgend. Weiterhin wurde eine Szene abgeschafft, in der ein von hinten nach vorne gerichteter Lichtkegel das Publikum blendet. (Es galt vor einigen Jahren als modern, die Bühnenscheinwerfer mal auch gegen das Publikum zu richten, um zu zeigen, dass es nicht die Aufgabe des Künstlers ist, zum Publikum nett zu sein. Sogar das tschechische Nationaltheater in Prag hat damit seine Besucher beim Ballett gequält. Jetzt scheint die Masche glücklicherweise vorbei zu sein.)

Alejandro Tossatti und Sandra Trejos zeigen das Verletzliche am Menschen, seine Unbehofenheit beim Streben nach Glück, aber auch seine Machtgier und Zwang zur Selbstzerstörung. Konkrete Geschichten als Vorlagen kann man erahnen, aber nicht mehr als das, denn alle Bezüge zur Wirklichkeit wurden herausgefiltert, bis nur ein Skeleton von Gefühlen übrig blieb. Dem außergewöhnlichen Duo geht es darum, was die Menschen fühlen, und damit um das Wesen der Menschlichkeit selbst. In sieben Jahren, oder in hundert Jahren, bleibt diese Frage genauso wichtig wie heute.

Zum Schluss noch eine Blick auf die Eishockey-Halle beim Fest, die Bühne befindet sich hinter der schwarzen Plane:

Duquis Tiquis

Petr Karlovsky