Ralf Jaroschinski: Postmodern Superheroes

Altes Magazin Hannover, October 2007

Choreografie: Ralf Jaroschinski und Margit Nagler
Tanz: Ralf Jaroschinski und Michael Veit

Weitere Berichte:
2006: Pool
2005: Eins

Dieses Jahr stellt sich Ralf Jaroschinski zusammen mit Michael Veit dem Publikum selbst als Tänzer, statt nur zu choreografieren und gelegentlich die Bühne als Erzähler zu betreten wie in den letzten Jahren. Der Abend besteht aus zwei Soli und einem Duo, choreografiert haben Jaroschinski und Margit Nagler. Ohne Requisiten und in unscheinbarer Kleidung erzielten die Tänzer mit ihrer anderthalb Stunden (mit Pause) langen Performance im Alten Magazin einen fulminanten Erfolg. Nachdem sie sich fünfmal bedanken mussten, haben sie dem begeisterten Publikum noch eine Zugabe geschenkt, das gibt es beim Tanz recht selten!

Ralf Jaroschinski: Postmodern Superheroes Ralf Jaroschinski: Postmodern Superheroes

Die Szenen im Bild oben stammen aus dem Duo "Postmodern Superheroes", welches dem Abend seinen Namen gab. Außerdem tanzte Ralf Jaroschinski "Angelene", choreografiert von M. Nagler, und Michael Veit "Snakeskin Patterns", choreografiert von Jaroschinski.

Das Duo war mit Witz und Selbstironie gespickt, quoll jedoch nicht vor Verrücktheiten über wie das zuletzt genannte Stück. Die Lust am Zuschauen und Mitfühlen provozierten die Tänzer lediglich durch ihre Bewegungssprache, die bedächtig mit theatralischen Elementen gewürzt war. Unspektakulär, aber überzeugend und mit menschlicher Wärme wurden die Zuschauer mit der Selbsteinschätzung, Erwartungshaltung, Enttäuschung und Versöhnung zweier Alltagshelden konfrontiert und unterhalten.

Ralf Jaroschinski: Postmodern Superheroes Ralf Jaroschinski: Postmodern Superheroes

Für Jaroschinski musste es eine Genugtuung sein, gleichzeitig als Tänzer und Choreograf so lebhaft gefeiert zu werden, und es hat ihm hoffentlich einen Ausgleich für die Frustration gegeben, dass er sein für dieses Jahr ursprünglich geplantes, größeres Projekt nicht realisieren konnte. Die Rahmenbedingungen für die freie Tanzszene werden immer härter. Das TANZtheater International wird vom Land Niedersachsen seit zwei Jahren nicht mehr bezuschusst, der TANZherbst in Dresden steht nach zehn erfolgreichen Jahren vor dem aus. Vom wirtschaftlichen Aufschwung spürt die Freie Szene recht wenig.

Eine besonders tolle Idee ist Jaroschinski in "Snakeskin Patterns" eingefallen. Michael Veit bewegt sich im schnellen Tempo und mit Gleichgewicht​störung-​provozierenden Figuren zum Rand der Bühne, wo er den Boden berührt, sich dreht und erstarrt. Seine Füße sind zur Bühne gerichtet, sein Oberkörper und seine Hände, die er flach in der Höhe der Taille hält, zeigen jedoch nach außen. Einige Minuten vergehen, scheinbar ohne dass etwas passiert.

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Nach einer Weile stellt das Publikum fest, dass der Schein trügt: Die Position des Tänzers veränderte sich, sein Oberkörper ist jetzt nach vorn gerichtet. Die Bewegung war so langsam, dass sie niemand merkte. Das Publikum begreift, worum es geht, und versucht, die Bewegung zu verfolgen. Es klappt aber nicht. Dabei ändert sich die Position des Tänzers unmerklich weiter. Nach acht Minuten zeigen seine Hände schräg nach unten und der Körper ist zur Mitte der Bühne ausgerichtet. Die Bewegung haben wir lediglich im Kopf rekonstruiert, sichtbar war sie nicht.

Eine tolle Sache und schöner Beweis, dass es immer noch möglich ist, völlig neue Ideen zu finden. Versuchen Sie es nachzumachen, ohne dass acht Minuten lang irgendeine Bewegung sichtbar wird - es ist gar nicht einfach.

In Jaroschinskis guter Tradition waren alle drei Stücke dem Publikum leicht zugänglich. Die Tänzer haben es mit Ausdruck allein erreicht, ohne aufwändige Kostüme wie in "Eins" und exotische Szenen wie im "Pool". Dem entsprach auch die Musikauswahl: Coco Rosie, Shakira und Regina Spektor, aber auch Georg Friedrich Händel.

Petr Karlovsky